Der Mangel an Pflegekräften in Deutschland nimmt seit Jahren immer weiter zu und die lang erwartete Pflegereform wird von den Regierungen immer wieder aufgeschoben. In Anbetracht der wachsenden Zahl an jährlich neu diagnostizierten Demenzfällen, ist es wichtig neue Ideen zu entwickeln, die Pflegekräfte und pflegende Angehörige entlasten, sowie die Betreuung der Demenzerkrankten erleichtern.
Pflegekräftemangel in der Demenzpflege
Die steigende Anzahl der Demenzerkrankten in unserer Gesellschaft stellt das deutsche Sozialsystem vor eine Herausforderung. Mit 1,8 Millionen Erkrankten im Jahr 2022 und einem geschätzten Anstieg auf 2,8 Millionen bis 2050 [1] ist mit einer Entlastung der Pflegekräfte ohne weitere Maßnahmen nicht zu rechnen. Laut Meinungsforschung der DAK Gesundheit sehen 94 Prozent der Befragten in Niedersachsen die bessere personelle Ausstattung der Pflege als wichtigstes Thema der Landesregierung. So sind 80% der Meinung, dass die Pflegekosten für Bedürftige und ihre Angehörigen begrenzt werden sollten [2]. Doch wie viel wird für die Pflege ausgegeben und wohin fließen diese Gelder?
Im Jahr 2015 gaben die Pflegekassen 10 Milliarden Euro für stationäre Pflegeheime aus. Darüber hinaus wurden von Angehörigen zusätzlich circa 10 Milliarden Euro privat für die Pflege aufgebracht [3]. Somit kostete 2015 ein Monat Pflege in Deutschland im Durchschnitt über 3000 Euro. Dies entspricht abhängig vom Bundesland und den gezahlten Gehältern einem Schlüssel von 1,76 - 2,8 gepflegten Personen pro Pflegekraft. Um Personalkosten zu sparen, greifen viele Träger auf Zeitarbeiter mit befristeten Verträgen von 1-2 Jahren zurück. Nachdem die Verträge ausgelaufen sind, kann es oft Monate dauern bevor der Arbeitsplatz neu besetzt wird. Aufgrund der Unterbesetzung müssen die verbleibenden Pflegekräfte den zusätzlichen Arbeitsaufwand alleine stemmen. Dies führt oft mit sich, dass in der Praxis weniger Zeit für die Patienten bleibt.
Neue Konzepte in der Pflege
Angesichts der steigenden Anzahl der Pflegefälle ist eine Entlastung, ohne neue Ansätze und Pflegekonzepte zu verfolgen, nicht zu erwarten In den Niederlanden entwickelte eine kleine Gruppe von Pflegekräften um De Bloks das Buurtzorg-Konzept („Buurtzorg“ niederländisch für „Nachbarschaftshilfe“) [4]. Die menschlichen Bedürfnisse werden bei diesem ambulanten Pflegeansatz in den Mittelpunkt gestellt. Das soziale Umfeld, die Familie und die pflegebedürftige Person selbst werden in die Pflegeprozesse und das Pflegenetzwerk mit einbezogen, um die Pflegekräfte zu entlasten und die Eigenständigkeit der pflegebedürftigen Person zu bewahren. Das Pflegeteam organisiert sich und alle Aufgaben, von der Pflegeplanung, dem Aufbau des Pflegenetzwerks und der Dokumentation bis zur Pflege selbst. Die Mitarbeitenden kennen alle Patienten und ihre Pflegeroutinen, allerdings wird eine Person nur von 2 Pflegekräften im Rahmen einer Bereitschaft 24/7 betreut (Ausnahmen sind Bereitschaft und Urlaub). Ein deutlicher Unterschied ist dabei auch, dass die Pflege nicht nach abstrakten Leistungs-Schlüsseln abgerechnet wird, sondern nur nach der Anwesenheitszeit beim Klienten.
Eine weitere Idee liefert Dorothea Orem in ihrer Pflegetheorie [5]. Orem hat den Vorschlag, jeder professionellen Pflegekraft eine weniger qualifizierte Hilfskraft zuzuweisen. Die Pflegekräfte sollen dabei besser in Theorie und Grundlage der Pflege geschult werden. Die eigentlichen Pflegehandgriffe werden dabei von der Hilfskraft übernommen. Die professionelle Pflegekraft kann währenddessen auf die zusätzlichen Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person eingehen, sowie die Pflege anleiten und gegebenenfalls weitere Maßnahmen treffen.
Bei beiden Ansätzen geht es darum, die Pflegekraft von den eigentlichen Pflegeaufgaben zu entlasten, sodass diese die Zeit hat, die Pflege intelligent und bedürfnisorientiert zu planen. Diese Entlastung geschieht durch Angehörige, weitere Hilfskräfte, aber auch durch die zu pflegende Person selbst. Der Erhalt der Eigenständigkeit kommt wechselseitig den Pflegenden und den Patienten zugute.
Entlastung der Pflegekräfte durch neue Ansätze
Für den Erhalt der Eigenständigkeit ist der Einsatz von geeigneten Pflege-Hilfsmitteln wichtig. Welche Hilfsmittel nötig sind, hängt von der Diagnose ab. Die Pflegekasse unterscheidet zwischen Verbrauchsmitteln wie Pflegeartikeln oder Einweghandschuhen und technischen Hilfsmitteln, die breit aufgefasst werden können [6]. Darunter fallen Pflegebetten, Rollstühle, Notrufsysteme und vieles mehr. Bei häuslicher Pflege hat man einen Anspruch auf solche Hilfsmittel und man kann bei der Pflegeversicherung einen Antrag auf Kostenzuschuss oder -übernahme stellen.
Mögliche Hilfsmittel werden im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgelistet [7]. Dabei eignen sich die aufgelisteten Hilfen für Demenz-Erkrankte in diesem Katalog hauptsächlich für die Hygiene und die Bett-Pflege. Neben den allgemeinen pflegerischen Utensilien rücken immer mehr spezifische Hilfsmittel in den Vordergrund, die beispielsweise Demenzerkrankte bei der Kommunikation mit Mitmenschen oder bei der Orientierung im häuslichen Umfeld, wie z.B. auch Piktogramme, unterstützen. Kostenübernahmen für diese Mittel können bei der Pflegeversicherung beantragt werden. Diese müssen jedoch nicht bewilligt werden, wenn sie nicht im Verzeichnis aufgelistet sind. Um Pflegekräfte und Angehörige zu entlasten und der zu pflegenden Personen mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen, gibt es hier also eindeutig ein Potential für weitere Investitionen in Hilfsmittel. Neue innovative Ansätze und Ideen in der Pflege sowie allgemein bei der Unterstützung von älteren Menschen können einen Beitrag dazu leisten, den Herausforderungen des Pflegekräftemangels zu begegnen. Ein wichtiger Schritt ist bereits getan, indem Krankenkassen Kosten für digitale Unterstützungsangebote in Form von Apps übernehmen.
Quellen:
[3] - https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-09/pflegeheime-buerokratie-deutsches-pflegesystem